1. Mai 2024

Einzelkritik: Nur das Weiterkommen zählt

Spielerisch war es dünn, was Borussia Mönchengladbach gegen den VfL Wolfsburg zeigte. Doch im Pokal gibt es keinen Schönheitspreis zu gewinnen, sondern es zählt nur das Weiterkommen. Das haben sich die Borussen erarbeitet. Die Einzelkritik:

Moritz Nicolas: Erneut ein sicherer Rückhalt im Tor der Borussia. Den flachen und verdeckten Schuss von Vranckx hielt Nicolas stark – so einer rutscht oft durch. Der 26-Jährige war sicher beim Fangen von hohen Bällen und wurde auch als Anspielstation oft eingebunden (73 Ballkontakte – Wolfsburgs Casteels kam auf 37). Sein Passspiel war sehr ordentlich, die Abwürfe kamen allesamt an, auch wenn einer auf Honorat ziemlich riskant war. Dass er zunehmend das Vertrauen der Mitspieler genießt, zeigte ein Rückpass von Reitz unter Bedrängnis. Seine Glanzparade beim Kopfball von Wind in der 90. Minute war überlebenswichtig und auch bei Maehles Schuss in der Verlängerung war Nicolas reaktionsschnell zur Stelle. Note 1,5.

Joe Scally: Leitete zu Beginn mit einer abgefälschten Hereingabe die Kramer-Chance ein. Ansonsten hielt er sich seiner Position entsprechend als rechter Innenverteidiger der Dreierkette zumeist hinten auf. Das Positionsspiel des 20-Jährigen war in Ordnung und er scheint sich immer besser an die Aufgaben in der Dreierkette zu gewöhnen. Die Entscheidungsfindung im Zweikampf ist noch verbesserungswürdig, ebenso die Spieleröffnung. Da wirkte Scally auch gegen Wolfsburg einige Male etwas zu eindimensional. Körperlich erschien Scally fit und auch weit in der Verlängerung war von Müdigkeit keine Spur. Note 3,5. 

Nico Elvedi: Diesmal wieder als zentraler Innenverteidiger der Dreierkette gefordert. Dass Elvedi noch nicht wieder bei einhundert Prozent ist, war ihm über weite Strecken nicht anzumerken. Zwar sah er beim Drehschuss von Maehle im ersten Durchgang nicht gut aus, doch ansonsten überzeugte der Schweizer mit konsequenter Abwehrarbeit. Nicht nur bei der rustikalen Grätsche an der Seitenlinie, sondern auch in mehreren anderen Situationen war Elvedi sehr stark im Zweikampf. Wichtig seine Rettungstat gegen Maehle, der durch gewesen wäre. Nach 97 Minuten war Elvedis Tank leer, Friedrich ersetzte ihn. Note 2,5.

Fabio Chiarodia: Startelfpremiere für den 18-Jährigen als linker Innenverteidiger in der Dreierkette. Eine gewisse Grundnervosität war ihm von Beginn an anzumerken und er hatte über die gesamte Spieldauer mehrere Wackler zu überstehen. Einer gelungenen Grätsche in der Anfangsphase stehen mehrere Unaufmerksamkeiten im Positionsspiel und Zweikampfverhalten gegenüber. Mehrere Klärungsversuche wurden zu Vorlagen für den Gegner. So leitete sein ‘Flipperball’ die Chance von Maehle vor der Pause ein, als Chiarodia dem Wolfsburger zudem beim Abschluss zu viel Raum ließ. Er war mit 137 Ballkontakten Aufbauspieler Nummer 1 bei Borussia, allerdings war die Passqualität des Italieners oftmals unzureichend. Zum Ende der regulären Spielzeit klärte er erst aufmerksam, ehe er kurz darauf fast den Siegtreffer für die Gäste auflegte. Natürlich genießt Chiarodia noch ‘Welpenschutz’ und er wird wertvolle Erfahrungen gesammelt haben. Note 4,5.

Julian Weigl: Hatte seine Zerrung auskuriert und konnte überraschenderweise über die kompletten 120 Minuten mitwirken. Mit Ball war vom Kapitän nicht viel zu sehen. Vereinzelt ein guter Anschlusspass, aber im dichten Mittelfeld mit zu wenig Raum, um sich wirklich entfalten zu können. 48 Ballkontakte in 120 Minuten sind für einen zentralen Mittelfeldspieler nicht wirklich viel. Dafür war Weigl als Organisator wichtig, der das große Ganze im Auge behielt und dafür sorgte, dass keine unnötigen Räume geöffnet wurden. Note 3,5.

Franck Honorat: Wie schon gegen Hoffenheim rückte er bei gegnerischem Ballbesitz weit zurück in die Fünferkette. Defensiv machte es der Franzose vergleichsweise gut, auch wenn er einige Klärungsversuche etwas hektisch anging. Auf dem Weg nach vorne war Honorat extrem fleißig und bot sich ständig an. Einige Male konnte er sein Tempo gut ausspielen und auch mehrere Sprints, bei denen ihn seine Kollegen nicht anspielten, bremsten Honorat nicht in seinem Eifer. Bei einigen Flankenversuchen hatte er Pech, dass oftmals ein Wolfsburger noch blocken konnte. Als er einmal vielversprechend Kramer bediente, schoss dieser über das Tor. In der 97. Minute machte Honorat Platz für Neuhaus. Note 3,5.

Rocco Reitz: Überzeugte einmal mehr mit viel Engagement, hoher Laufbereitschaft und geschicktem Zweikampfverhalten. Er sorgte für eine frühe Gelbe Karte für Arnold und zeigte sich in mehreren Situationen ruhig und abgeklärt wie ein alter Hase. Mit seiner Hartnäckigkeit und der Fähigkeit, auch mal auszuteilen, verschaffte sich Reitz Respekt. Die Offensivaktionen des 21-Jährigen hielten sich – wie bei der gesamten Mannschaft – in Grenzen. Die Auswechslung in der 81. Minute – Koné übernahm – kam etwas überraschend. Note 3,0.

Christoph Kramer: Stand erstmals in der Amtszeit von Gerardo Seoane in der Startelf. Auf der ungewohnten Position links im Mittelfeld lag auch beim ihm die Priorität in der Absicherung und dem Schließen der Räume. Das machte Kramer mit der gewohnten Laufbereitschaft sehr konsequent. Dafür schlichen sich einige Ballverluste ein, als Kramer zu langsam agierte. In der Anfangsphase hatte er mit seinem flachen Direktschuss die beste Torchance für lange Zeit. Kramer rückte zwar einige Male bei Angriffen mit nach vorne und war teilweise auch der gesuchte Zielspieler für hohe Flanken, doch der 32-Jährige konnte seine chronische Torungefährlichkeit nicht ablegen. Ein Heber aufs Tor, als ein Pass in den Rückraum die bessere Wahl gewesen wäre, war leichte Beute für Casteels und ein weiterer Schuss verfehlte den Kasten deutlich. In der 81. Minute wurde er von Hack abgelöst. Note 4,0.

Luca Netz: Auch der linke Schienenspieler sortierte sich sehr frühzeitig in die Fünferkette ein. Dass Netz im Defensivverhalten in allen Belangen große Fortschritte macht, wurde auch gegen Wolfsburg deutlich. Sein Timing in den Zweikämpfen war gut und er ließ sich nicht so einfach abkochen wie noch zu Saisonbeginn. Das gesteigerte Selbstbewusstsein zeigte der 20-Jährige auch bei eigenem Ballbesitz. Auch wenn längst nicht jeder Pass ankam, so wusste er doch mit mehreren stabilen und ‘erwachsenen’ Aktionen zu gefallen. Je länger das Spiel dauerte, desto deutlicher baute Netz körperlich ab. Aufgrund des ausgeschöpften Auswechselkontingent musste er sich bis zum Schluss durchbeißen. Note 3,5. 

Alassane Plea: Die grundsätzlich sehr auf Sicherheit bedachte Ausrichtung beider Mannschaften sorgte dafür, dass die Stürmer wenig Aktionen in der gefährlichen Zone hatten. Plea ließ sich daher oft fallen, wobei es keinen wirklichen ‘Klick’ zwischen ihm und Čvančara gab. Einige von der Idee her gute Pässe des Franzosen blieben irgendwo an einem Wolfsburger Bein hängen. Auffällig, dass Plea auch bei Ballverlusten nachsetzte und in der Defensive für die Mannschaft arbeitete – das war bei ihm nicht immer so. Auch er biss sich die 120 Minuten durch und zog ganz am Ende sogar noch mal einen kraftraubenden und schmerzhaften Sprint mit Ball an. Note 3,5.

Tomáš Čvančara: Der Tscheche war nominell der Zielspieler vorne drin, trat dort jedoch nicht in Erscheinung. Das hatte mit dem kaum existenten Offensivspiel der Borussia zu tun, aber auch mit der Positionierung von Čvančara. Er ließ sich ebenfalls weit zurückfallen und versuchte, sich am Kombinationsspiel zu beteiligen. Ein technisches Kabinettstückchen an der Seitenlinie war nett anzusehen, aber eher brotlose Kunst. Bei einem Hochrisiko-Pass in die Mitte hatte er Glück, dass die Wolfsburger zu spät schalteten. Nach Ecken wurden zwei Schussversuche des 23-Jährigen geblockt. Einmal startete er gut in die Tiefe, aber auch diese Situation verpuffte. Wenig später wurde er angeschlagen ausgewechselt und Ngoumou übernahm. Note 4,5.

Nathan Ngoumou (60. Minute für Čvančara): Fand sich in vorderster Front auch nicht wirklich zurecht, aber strahlte mit seiner Geschwindigkeit doch mehr Gefahr aus, als Čvančara zuvor. Mit seinem Vor-Assist, als Ngoumou beherzt handelte, war er maßgeblich am Siegtreffer beteiligt. Note 3,5.

Manu Koné (81. Minute für Reitz): Überstand gemeinsam mit den Kollegen einige heikle Phasen. In vierzig Minuten Spielzeit hatte Koné lediglich 16 Ballkontakte. Davon waren einige im Ansatz gut, aber die in der 120. Minute waren Gold wert. Mit der ruhigen Ballkontrolle und dem Pass auf Neuhaus stand er an der Basis des Siegtreffers, den er per Kopf erzielte, nachdem er den weiten Weg nach vorn gemacht hatte. Note 3,5.

Robin Hack (81. Minute für Kramer): Brachte wie gewohnt Schwung nach seiner Einwechslung. Ein guter Schuss wurde zur Ecke geblockt und in einer weiteren Situation war mehr drin, als Hack unentschlossen war. Note 3,5. 

Marvin Friedrich (97. Minute für Elvedi): Kam für Elvedi und löste die Aufgaben seriös, wenn auch im Passspiel nicht ganz fehlerfrei. Ohne Note.

Florian Neuhaus (97. Minute für Honorat): Arbeitete vornehmlich nach hinten und die wenigen Gelegenheiten, in der Offensive etwas zu gestalten, verpufften. Bis zur 120. Minute, als er den Ball zunächst durch Mittelfeld schleppte und dann Ngoumou auf rechts überlief und mit Ball am Fuß entscheidend beschleunigte. Die gechipte Flanke war sehr filigran. Ohne Note.

von Redaktion TORfabrik.de – Foto: Frederic Scheidemann – Getty Images