15. Mai 2024

Einzelkritik: In allen Belangen zu wenig von Borussia

Borussia Mönchengladbach enttäuschte beim 1:3 bei Union Berlin in allen Bereichen. Besonders die Fehleranfälligkeit bei eigenem Ballbesitz war sehr ernüchternd. Letztlich blieben fast alle Borussen deutlich unter ihren Möglichkeiten. Die Einzelkritik:

Moritz Nicolas: Der beste Borusse an einem trostlosen Nachmittag in Köpenick. Mit einer starken Parade gegen Roussillon in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit und einer ausgezeichneten Fußabwehr gegen Volland unmittelbar nach Wiederanpfiff hielt er seine Mannschaft im Spiel. Beim Elfmeter wählte er die andere Ecke, den Schuss von Hollerbach zum 2:0 sah er erst verzögert und kam nicht mehr rechtzeitig ins Eck und beim dritten Unioner Treffer hatte Nicolas absolut keine Abwehrchance. Note 3,0.

Joe Scally: Sah bereits nach zwei Minuten Gelb für ein Foul an Gosens. Dieses Handicap schleppte er als rechter Mann in der Dreierkette durch den weiteren Nachmittag. Scally musste zwei-, dreimal im Zweikampf zurückziehen, um nichts zu riskieren. Dennoch gelang es ihm u. a. gegen Behrens erfolgreich zu stören. Im Spielaufbau war der US-Amerikaner vergleichsweise seriös und blieb ohne grobe Schnitzer. Nach dem Wechsel war er weiter ordentlich mit Abwehrarbeit beschäftigt, ehe er zwanzig Minuten vor Schluss für Friedrich das Feld räumte. Note 4,0.

Nico Elvedi: Nachdem er sich mehr oder weniger durch die letzten beiden Partien gequält hatte, war dem Schweizer der Substanzverlust deutlich anzumerken. Es fehlte ihm sichtlich an Frische und er beschränkte sich darauf, das Spiel irgendwie hinter sich zu bringen. Das ging einige Male fast schief, als er u. a. vor der Chance von Behrens zu passiv blieb und auch Volland in einer Situation einfach ziehen ließ. Mit dem verunglückten Rückpass in Richtung Friedrich legte Elvedi den dritten Treffer für Union auf und sorgte damit für den Gladbacher Knockout. Note 4,5. 

Maximilian Wöber: War bei seinem Comeback präsent und gewohnt resolut im Zweikampf, auch wenn das Timing nicht immer optimal war. Zweimal blockte er Schüsse der Berliner gut ab. Bei eigenem Ballbesitz hinterließ Wöber nicht immer den sichersten Eindruck. Ein Harakiri-Dribbling vor dem eigenen Sechzehner wurde nur mit Glück nicht bestraft. Bei einem Luftduell mit Volland zog er sich einen Cut über dem Auge zu, konnte aber weitermachen. Positiv war die Bereitschaft des Österreichers, der sich nicht hängen ließ, das Spiel mit anzuschieben und die Wege nach vorne zu machen. Letztlich standen 11,3 Kilometer auf dem Tacho und kein Spieler hatte mehr Ballkontakte als Wöber (108). Note 3,5.

Franck Honorat: Wie zuletzt war er bei gegnerischem Ballbesitz gefordert, die Fünferabwehrkette zu komplettieren. Das ging direkt zu Beginn fast schief, als er überspielt wurde und Glück hatte, dass das Berliner Tor wegen Abseits nicht zählte. Honorat sprintete unermüdlich die Linie rauf und runter und war über weite Strecken der einzige Borusse, der den Ball konstruktiv nach vorne trug. Allerdings fehlte ihm in letzter Instanz die Präzision. Seine Flankenversuche waren mehrfach überhastet und auch den Standards fehlte das gewisse Etwas. Kein Spieler zog mehr Sprints an als Honorat (30) und keiner war schneller unterwegs (33,6 km/h). Mit der Flanke zum Treffer von Plea heimste er zumindest einen Assist ein. Note 3,5.

Rocco Reitz: Der Shootingstar der letzten Wochen kam diesmal nicht zur Geltung. Er hatte einige Probleme im Zweikampf und auch im Passspiel ging ungewohnt viel schief. Einige gute Ansätze, das Spiel vertikal zu beschleunigen, scheiterten an den Unzulänglichkeiten der Mitspieler. Wirklich gelungen war die Vorbereitung für Honorat, was zur Plea-Chance kurz vor der Pause führte. Im zweiten Durchgang änderte sich nicht viel und nach 70 Minuten machte Reitz Platz für Neuhaus. Note 4,0.

Julian Weigl: Der Kapitän überraschte mit einem neuen Look, wobei die grau-blond gefärbten Haare über weite Strecken das Auffälligste an Weigl waren. Er arbeitete gewohnt viel und war mit 11,9 Kilometern der laufstärkste Spieler auf dem Platz. Nicht immer konnte er rechtzeitig die Lücken schließen, die sich trotz einer nominell defensiven Staffelung im Mittelfeld ergaben. Am Ball unterliefen Weigl keine schwerwiegenden Fehler, aber er konnte auch nichts Augenfälliges beitragen, um das Spiel zu gestalten. Nach einer misslungenen Freistoßvariante mit Honorat leistete sich Weigl an der Außenlinie ein Frustfoul gegen Roussillon, wofür er die Gelbe Karte sah. Angesichts des Theaters, das von der Unioner Bank gemacht wurde, konnte Weigl froh sein, dass der ansonsten unsichere Schiedsrichter sich nicht zu einer Überreaktion hinreißen ließ. Kurz nach der Pause musste er sich bei der Volland-Chance zurückhalten, um nicht den Platzverweis zu riskieren. In der Schlussphase, als Borussia sehr viel Ballbesitz hatte, verlagerte Weigl das Geschehen immer wieder, ohne dass sich das Geduldsspiel auszahlte. Note 4,5.

Christoph Kramer: Als linker Achter agierte Kramer gewohnt läuferisch stark, ohne jedoch den Spielfluss nachhaltig zu beeinflussen. Defensiv fehlte ihm in mehreren Zweikämpfen die Konsequenz. Beim zweiten Berliner Tor rückte er nur halbherzig und zu spät raus, sodass er keine Chance hatte, Hollerbachs Schuss zu stören. Mit Ball wirkte Kramer etwas umständlich und schwerfällig. Allerdings war es mangels Angeboten auch nicht einfach, ein zügiges Kombinationsspiel aufzuziehen. Nach knapp einer Stunde machte Ngoumou für Kramer weiter. Note 4,5.

Luca Netz: Zuletzt konnte man die Entwicklung des Youngsters berechtigterweise loben, doch im Spiel bei Union erfolgte ein krasser Rückfall. Er ließ sich von Hollerbach zweimal extrem billig verladen und stand auch in weiteren Situationen miserabel zu Ball und Gegner. Zu allem Überfluss verursachte Netz auch noch den Handelfmeter. Aufgrund der kurzen Distanz kann man ihm für das eigentliche Handspiel keinen Vorwurf machen, aber der zuvor unbeholfene Hüpfer mit ausgestreckten Armen sah nicht nur komisch aus, sondern war letztlich ursächlich für das Zustandekommen des Elfmeters. Im weiteren Verlauf stabilisierte sich Netz etwas. In der 70. Minute wurde er gegen Herrmann ausgewechselt. Note 5,0.

Alassane Plea: Als einziger Kreativspieler hatte der Franzose einen schwierigen Stand. Er wurde eng markiert und bekam einige Tritte ab, welche der Schiedsrichter unverständlicherweise nicht ahndete. Später platzte Plea der Kragen und er sah Gelb, weil er sich aufregte. Weitaus intensivere Proteste und abwertende Gesten vonseiten der Unioner in Richtung des Unparteiischen blieben dagegen unbestraft. Pleas Versuche, das Spiel zu gestalten, verpufften zumeist. Zum einen fehlte es seinen Aktionen an Präzision, zum anderen mangelte es ihm an Kollegen, mit denen er kombinieren konnte. Wenn Borussia ansatzweise gefährlich wurde, war Plea involviert. Er gab den ersten Schuss ab und hatte kurz vor der Pause beim Kopfball aus dem Lauf nach Honorat-Flanke die bis dahin beste Chance. Im zweiten Durchgang landete ein Drehschuss des Franzosen in den Armen des Torwarts und schließlich gelang ihm mit einem sehenswerten Kopfball immerhin der Ehrentreffer. Note 3,5. 

Tomáš Čvančara: Ein erschreckend schwacher und teilweise sogar unverschämter Auftritt des Stürmers. Zig lachhafte Pässe oder gar Hackentricks zum Gegner, unfassbare technische Mängel bei der Ballverarbeitung und ein Positionsspiel, das überhaupt keinen Sinn machte. Dass er sich fallen ließ, um gegen den Ball mitzuarbeiten, mag gewollt und auch lobenswert sein. Dass er aber in Spielmacherrolle in der eigenen Hälfte die zaghaften Kombinationsversuche mit permanenten Ballverlusten sabotierte, war unglaublich. Im Strafraum – dem eigentlichen Betätigungsfeld eines Mittelstürmers – trat Čvančara überhaupt nicht in Erscheinung. Bei mehreren Flanken von Honorat war der Tscheche weit und breit nicht zu sehen. Einzig bei dem Sprint, mit dem er Juranovic die Gelbe Karte ‘besorgte’, strahlte er kurzzeitig so etwas wie Gefahr aus. Die Auswechslung in der 80. Minute kam deutlich zu spät. Note 5,0.

Nathan Ngoumou (59. Minute für Kramer): Sorgte mit einigen Sprints für etwas Belebung, ohne jedoch in Abschlussposition zu kommen. Eine Hereingabe von Honorat verpasste er. Im Zweikampf wirkte er etwas unbeholfen und war meist zweiter Sieger. Note 4,0. 

Florian Neuhaus (70. Minute für Reitz): Startete mit einem Foulspiel an der Strafraumgrenze und beim dritten Treffer der Unioner war sein Rettungsversuch gegen den Torschützen eher halbherzig. Ein Distanzschuss von Neuhaus stellte letztlich kein Problem für Unions Keeper dar. Ohne Note. 

Marvin Friedrich (70. Minute für Scally): Ordnete sich hinten ein und war fünf Minuten nach seiner Einwechslung der Adressat von Elvedis Fehlpass, der das dritte Gegentor zur Folge hatte. Friedrich klärte einmal aufmerksam bei einem Berliner Konter und in der Schlussphase beteiligte er sich an der ungestörten Ballzirkulation, die letztlich fruchtlos blieb. Ohne Note. 

Patrick Herrmann (70. Minute für Netz): Legte noch einige engagierte Sprints hin, ohne in Abschlussposition zu kommen. Ohne Note. 

Grant-Leon Ranos (80. Minute für Čvančara): Konnte sich gegen die tief verteidigenden Unioner nicht durchsetzen und nichts mehr bewegen. Ohne Note. 

von Redaktion TORfabrik.de – Foto: Getty Images