27. April 2024

Einwurf: Borussia wackelte bedenklich, fiel aber nicht

Borussia Mönchengladbach spielte gegen den SC Freiburg eine Halbzeit lang grenzwertig schlecht, doch die Umstellung zur Pause kam gerade noch rechtzeitig – und auch das Spielglück fand seinen Weg zurück in den Borussia-Park.

Klammert man die ersten rund fünf Minuten aus, als Borussia Mönchengladbach gegen den SC Freiburg ganz ordentlich im Spiel war, passte die erste Halbzeit in das trostlose Bild, das die Fohlenelf in den letzten Wochen und Monaten abgegeben hat. Wieder einmal fehlte es nicht an der Einstellung und dem Willen, sondern schlichtweg an der Umsetzung. Bei eigenem Ballbesitz agierte man bieder und einfallslos und gegen den Ball ging beim ‚Pseudo-Pressing‘ so gut wie alles schief.

Die Freiburger waren hervorragend darauf eingestellt, das unkoordinierte Anlaufverhalten der Gladbacher auszunutzen. Sie befreiten sich über Außen gegen die halbherzige erste Pressinglinie und als die nächste Instanz mit den Außenverteidigern Lainer oder Wendt rausrückte, bespielten die Gäste geschickt die riesigen Räume in deren Rücken. Das wiederum nötigte die Innenverteidiger, sich auf die Seiten zu orientieren, wodurch Freiburg im Gladbacher Strafraum viel Platz hatte. So entstand das frühe Gegentor und mehrere weitere brandgefährliche Konter folgten diesem Schema.

Freiburg lässt Gladbach leben – Systemumstellung fruchtet

Die Borussen konnten beim Pausenpfiff heilfroh sein, dass Freiburg die Gladbacher »leben gelassen« hat, wie es Lars Stindl später treffend umschrieb. Mit etwas mehr Effektivität beim Abschluss hätten die Breisgauer im ersten Durchgang für klare Verhältnisse sorgen können. So ergab sich für die Borussen die Möglichkeit, zu reagieren und Anpassungen vorzunehmen. Marco Rose entschied sich für die Umstellung auf Dreier- bzw. Fünferkette mit dem eingewechselten Zakaria als zentralem Mann.

Dadurch positionierten sich die Borussen ‚breiter‘, Beyer und Ginter besetzten nun die Räume, die zuvor von Wendt und Lainer zwangsweise geöffnet wurden. Durch die besser gestaffelte Positionierung konnten die Fohlen nun endlich effektiv ins Pressing gehen, während die Freiburger deutlich mehr Mühe hatten, ihr Umschaltspiel aufzuziehen. Gladbach entwickelte eine lang vermisste Bissigkeit und Dynamik und sorgte so für immer mehr Stresssituationen bei den den Freiburgern.

Thruams Urgewalt war beeindruckend

Und endlich hatten die Borussen auch mal wieder das Spielglück auf ihrer Seite. Denn der Ausgleichstreffer war schon sehr glücklich, weil Stindl die Ginter-Hereingabe nicht kontrollieren konnte und mehr oder weniger zufällig auf Thuram weiterleitete. Dessen Drehschuss wurde wiederum von Santamaria entscheidend abgefälscht, so dass der Torwart keine Chance hatte. Dieser Treffer war natürlich vor allem wichtig für die Psyche der Borussen und brachte weiteren Rückenwind.

Der Führungstreffer dagegen hatte überhaupt nichts mit Glück zu tun, sondern war einfach nur überragend. In der Entstehung über Balleroberung, Umschalten und dem Pass von Kramer bis hin zur Energieleistung von Thuram. Der Franzose war im Laufduell gegen Lienhart eigentlich in der schlechteren Position, konnte aber quasi von einem Schritt zum anderen das Tempo explosionsartig anziehen, so dass er plötzlich im Vorteil war. Er schüttelte Lienhart ab und überrannte den Torwart – was für eine Urgewalt und was für ein tolles Tor.

Am Ende war das Glück nochmals auf Borussias Seite

Borussia hätte in der Folgezeit das Spiel entscheiden können. Doch Thuram verpasste den Hattrick knapp und das Eigentor von Santamaria wurde nach der Intervention des VAR einkassiert. Eine Entscheidung aus der Grauzone, die nicht wirklich nachzuvollziehen war – schon gar nicht aus Gladbacher Sicht. Danach gab es einen kleinen Bruch im Spiel, auch weil sich die Freiburger mittlerweile besser auf die veränderte Grundformation der Borussen eingestellt hatten. Doch richtig gefährlich wurden die Gäste nicht mehr – bis in die fünfte Minute der Nachspielzeit.

Die erste Reaktion, als Beyer den Schuss von Schlotterbeck unhaltbar für Sommer zum vermeintlichen Ausgleich abfälschte, war ‚typisch Borussia‘. Wieder einmal schien man in letzter Sekunde einen Sieg verschenkt zu haben, was sich nahtlos in das Bild dieser verkorksten Saison einfügen würde. Doch weil Hölers-Hacke bei der Entstehung des Tors im Abseits war, kassierte der VAR auch diesen Treffer ein. Kurz darauf durften sich die Borussen über den glücklichen, aber nicht unverdienten zweiten Heimsieg der Rückrunde freuen.

Die Punkte zählen – alles andere kommt später dran

Letztlich war es ein echter Kraftakt, der nach der schwachen Vorstellung vor der Pause keinesfalls selbstverständlich war. Man kann die Umstellung nach dem Seitenwechsel als spielentscheidend bewerten und damit auch Marco Rose seinen nicht unwesentlichen Anteil an der Wende zugestehen. Gleichzeitig kann nicht unterschlagen werden, dass die Plan- und Hilflosigkeit auf Gladbacher Seite im ersten Durchgang nicht nur den gut aufgelegten Freiburgern geschuldet war. Doch wie schon gegen Schalke zuletzt steht auch gegen Freiburg über allem, dass die drei Punkte verbucht wurden. Themen wie eine nachhaltige Spielphilosophie werden erst in ein paar Monaten wieder relevant.

von Marc Basten – TORfabrik.de