28. April 2024

Einzelkritik: Borussia sucht weiter die richtige Balance

Das 2:2 gegen Werder Bremen war ein letztlich gerechtes Resultat im letzten Heimspiel des Jahres. Noch immer sind die Leistungen der Fohlen nicht richtig ausbalanciert. Trotz nominell defensiver Ausrichtung kassieren die Borussen weiter zu einfache Gegentore – auch gegen Werder Bremen. Die Einzelkritik:

Moritz Nicolas: Konnte sich die weiße Weste schon nach sieben Minuten abschminken, als Borré der Führungstreffer gelang. Nicolas war beim Schuss des Kolumbianers zwar schnell unten, bekam die Hand aber nicht mehr richtig hinter den Ball, um ihn noch ablenken zu können. Kurz darauf hielt er seine Mannschaft mit einer starken Rettungsaktion im Spiel, als er dem einschussbereiten Ducksch den Ball vom Fuß fischte. Im weiteren Verlauf musste Nicolas kleinere Pflichtaufgaben lösen, was er problemlos erledigte. Im Spielaufbau einmal mit einem verunglückten Pass, dafür leitete er mit einem starken Abwurf an die Mittellinie einen Angriff ein. Auch die eigentlich harmlose Hereingabe aus dem Halbfeld in der 76. Minute hätte eine Pflichtaufgabe sein sollen, doch weil Nicolas den abgefälschten Ball unterschätzte und Njinmah nicht wahrnahm, unterlief ihm der schwerwiegende Patzer, der Ducksch den Ausgleich ermöglichte. Es ist schon etwas tragisch für den 26-Jährigen, dass einer seiner seltenen Fehler so bestraft wurde. Note 4,0.

Joe Scally: Dass er noch ‘Lehrling’ in der Rolle des rechten Innenverteidigers der Dreierkette ist, zeigte sich auf bittere Art und Weise beim 0:1, als er sich nur im Raum orientierte, ohne Borré zu beachten. Und da auch Honorat desorientiert war, geriet Borussia früh in Rückstand. Scally leistete sich in der Folgezeit kleinere Wackler, die folgenlos blieben. Bei eigenem Ballbesitz agierte er positionsbedingt zurückhaltend, wenn es ganz nach vorne ging. Mit der Flanke auf Koné war Scally an der Entstehung des 1:1 beteiligt. Nach der Pause spielte Scally weitestgehend seriös, allerdings verlor er das Kopfballduell gegen Stage und hatte Glück, dass in dieser Situation nicht schon das 2:2 fiel. Note 4,0.

Nico Elvedi: Als zentraler Mann der Dreierkette wirkte der Schweizer im Gegensatz zur Vorwoche wieder etwas frischer. Dennoch ließ er in den wenigen Situationen, in denen er wirklich gefordert war, die letzte Konsequenz vermissen. Etwas mehr Präsenz und Klarheit muss ein Spieler in so einer zentralen defensiven Rolle schon ausstrahlen. Im Aufbauspiel vermied er das Risiko, ein langer Ball in Richtung Honorat war gelungen. Im weiteren Verlauf dribbelte er ein paarmal gut an und lief einmal sogar durch. Auch wenn er nicht angespielt wurde, sollte er solche – abgesicherten – Offensivaktionen öfter wagen. Nach der Pause ließ sich der Schweizer einmal von Schmid sehr einfach verladen und beim 2:2 schaltete er zu früh ab und verließ sich auf Nicolas. Als Elvedi dann reagierte, war Ducksch schon entscheidend enteilt. In der Schlussphase klärte der 27-Jährige noch einmal wichtig vor Ducksch. Note 4,0.

Maximilian Wöber: Spielte keine gute erste Halbzeit, war ungewohnt fahrig und unsicher. Ein technischer Fehler des Österreichers leitete einen Bremer Angriff ein und als er gegen Weiser zu spät kam, sah er bereits nach 35 Minuten die Gelbe Karte. Danach war es in einigen Situationen ein Tanz auf der Rasierklinge, aber der 25-Jährige ließ sich zu nichts hinreißen. Nach dem Seitenwechsel rettete er einmal mit Glück und Geschick, ehe er sich deutlich stabilisierte und zumeist sauber und schnörkellos verteidigte. Note 4,0.

Julian Weigl: Der Kapitän war einmal mehr der laufstärkste Spieler auf dem Platz. Bei gegnerischem Ballbesitz rückte er zumeist an die Mittellinie vor und zog sich dann zurück, wenn Werder das Spiel auf die Seiten verlagerte. Das war ein hoher Aufwand für Weigl, der dadurch ein paar Mal in seinem Rücken Räume öffnete und nicht immer rechtzeitig da war, um in den Zweikampf zu kommen. Bei Gladbacher Ballbesitz überzeugte Weigl mit einigen guten Verlagerungspässen. In einer Szene vergab er durch einen seiner seltenen technischen Fehler die Gelegenheit zu einem Konter. Nach der Pause korrigierte der 28-Jährige einen Ausrutscher auf der rechten Abwehrseite mit einem Rempler gegen Schmid und sah die Gelbe Karte. Note 3,0.

Franck Honorat: War offensiv sehr auffällig und umtriebig. Immer wieder kam er mit Tempo über die rechte Seite, wo er auch seine Fähigkeiten im Kombinationsspiel einbrachte. Fußballerisch war das teilweise richtig stark, was Honorat zeigte. Er legte Plea für dessen erste Chance auf und einige weitere vielversprechende Aktionen wurden vom Franzosen eingeleitet. Was fehlte, war die Belohnung für den großen Aufwand, den er betrieb. Es verpufften zu viele gute Ansätze in letzter Instanz. Das galt auch für seine Standards, die allesamt gut waren, aber nicht zum Erfolg führten. Lobenswert war erneut die Laufbereitschaft, mit welcher der 27-Jährige stets die Wege machte, um bei gegnerischem Ballbesitz die Fünferkette aufzufüllen. Dass Honorat kein Abwehrspieler ist, wurde nicht nur beim 0:1 deutlich. Dort aber ganz extrem, weil er Borré vor sich hatte und die Gefahr komplett falsch einschätzte. Eine gewisse Wehrhaftigkeit strahlte er bei der Rudelbildung in der Nachspielzeit aus, als er sich von Weiser nicht einschüchtern ließ und letztlich beide Gelb sahen. Note 2,5.

Rocco Reitz: Ganz klar – der Junge ist ein Phänomen. Obwohl er gegen Bremen zunächst nur in Ansätzen seine Klasse aufblitzen lassen konnte, wurde er mit dem ersten Doppelpack seiner Profikarriere zum Mann des Abends. Beim Treffer zum 1:1 erfasste er die Situation blitzschnell und schoss direkt. Ein Musterbeispiel für Konsequenz und Geradlinigkeit beim Abschluss. Mit dem 2:1 vollendete Reitz einen tollen Spielzug auf eine bemerkenswerte Art und Weise. Sehr viele Spieler hätten in dieser Situation überhastet geschossen, aber Reitz behielt cool die Kontrolle, ließ seinen Gegenspieler ins Leere laufen und schloss dann platziert und ohne Hektik sauber ab. Das war in vielerlei Hinsicht Extraklasse – besonders für einen 21-Jährigen im 18. Bundesligaspiel. Darüber hinaus war er Auslöser einer Rudelbildung vor dem Pausenpfiff, als er gegen Bremens Torwart nachsetzte – allerdings war alles harmlos und die Aufregung der Bremer deutlich übertrieben. Nach einer Stunde traf Reitz aus sehr spitzem Winkel ans Außennetz. Beim Ausgleichstor der Bremer hatte Reitz das Pech, dass er die eigentlich harmlose Hereingabe mit dem Hinterkopf abfälschte und diese dadurch erst scharf machte. Nach 81 Minuten machte er Platz für Kramer. Note 2,5.

Manu Koné: Startete nach wenigen Sekunden einen entschlossenen Sololauf, den er mit einem harmlosen Flachschuss aus 19 Metern abschloss. Eine Ablage auf Plea oder Verlagerung auf Honorat wären möglich gewesen. Vor dem 0:1 übte er kaum Druck auf Flankengeber Schmid aus, allerdings war aufgrund der Strafraumbesetzung auch nicht davon auszugehen, dass eine solche Halbfeldflanke wirklich Gefahr erzeugen könnte. Im weiteren Verlauf zeigte Koné einige gute Ansätze und nach der Pause drehte er richtig auf. Mit seinem Pfostenschuss hatte der Franzose großes Pech, weil er in dieser Situation eigentlich alles richtig gemacht hatte. Danach war er als stabiler Doppelpasspartner für Netz an der Entstehung des 2:1 beteiligt und kurz darauf legte er für Pleas Schusschance auf. Koné war engagiert, laufstark und ging mit dem nötigen Biss in die Zweikämpfe – insgesamt ein sehr ordentliches Spiel des 22-Jährigen. Note 2,5.

Luca Netz: Nach seiner schwachen Vorstellung am vergangenen Wochenende bei Union diesmal deutlich wacher und stabiler in der Defensive. Er besetzte die Position konsequent und ließ sich in den direkten Duellen nicht düpieren. Netz rückte bei eigenem Ballbesitz zwar auf, hatte aber wenig Anteile am Offensivspiel. In einer Situation war er gut durchgelaufen und kam am langen Pfosten knapp zu spät nach einer Honorat-Flanke. Seine beste Szene hatte Netz vor dem 2:1, als er auf links in Höhe der Mittellinie anzog, Doppelpass mit Koné und dann Doppelpass mit Plea spielte, ehe er mit rechts Hack perfekt in den Lauf passte. Und das alles in einem hohen Tempo. Solche Aktionen sollten dem 20-Jährigen weiteren Rückenwind geben. Als Netz kurz darauf viel Platz vor sich hatte und nach vorn preschen wollte, wurde er von Seoane zurückbeordert. Note 3,0.

Alassane Plea: Bekam mit Hack einen neuen Sturmpartner an die Seite gestellt, mit dem er in Bezug auf die Raumaufteilung deutlich besser harmonierte, als vergangene Woche mit Čvančara. Plea war wieder klar in der Spielmacherrolle unterwegs und hatte überraschenderweise sogar mehrfach den Raum, seine Ideen umzusetzen. Gerade im Zusammenspiel mit Honorat wurde Pleas außergewöhnliches Spielverständnis offensichtlich. Er gab den ersten gefährlichen Torschuss ab, als er das Zuspiel von Honorat mit rechts knapp über das Tor zirkelte. Bei einer weiteren Chance zielte er von halblinks nach einem Schlenker mit links erneut etwas zu hoch. Den abgefälschten Rebound von Plea nach dem Pfostenschuss von Koné kurz nach der Pause klärte Zetterer mit einem Blitzreflex. Am 2:1 war Plea entscheidend beteiligt, als er den Ball beim Doppelpass mit Netz intelligent abtropfen ließ. Ein Flachschuss von Plea nach Vorarbeit von Koné strich haarscharf am Tor vorbei. Note 2,5.

Robin Hack: Durfte sich in ungewohnter Rolle als zweite Spitze probieren. Dort war er zunächst kaum eingebunden, hielt aber die Position und bot sich an. Nach und nach passte es besser und Hack versuchte sich mit Einzelaktionen und Schüssen. Die wurden zwar geblockt, aber die engagierten und flinken Läufe des 25-Jährigen erinnerten ein wenig an die Umtriebigkeit eines Peter Wynhoff. Beim Ausgleich war er als Assistgeber ursächlich beteiligt, als er den schon verlorenen Ball gegen zwei Bremer sicherte und auf Reitz passte. Auch für den zweiten Reitz-Treffer legte Hack auf. Er war im richtigen Moment gestartet und spielte nach dem Netz-Pass überlegt und uneigennützig quer. Im weiteren Verlauf wirkte Hack aufgrund des hohen läuferischen Aufwands ziemlich platt und wurde zehn Minuten vor dem Ende folgerichtig ausgewechselt. Note 3,0.

Nathan Ngoumou (81. Minute für Hack): Konnte sich nicht mehr in Szene setzen. Weiterhin bleibt der Eindruck, dass er zu wenig aus seinen Anlagen macht. Ohne Note. 

Christoph Kramer (81. Minute für Reitz): Hatte in aussichtsreicher Position im gegnerischen Strafraum offensichtlich keinen Mut, den Abschluss zu suchen. Stattdessen dribbelte er sich fest. Sah in der Nachspielzeit Rot für ein angeblich grobes Foul an Weiser, was Schiedsrichter Zwayer nach Intervention des VAR zu Recht korrigierte und Kramer lediglich mit Gelb verwarnte. Unverständlich, dass Zwayer die Rote Karte so schnell zückte, obwohl er eigentlich freie Sicht aufs Geschehen hatte. Weiser, der den sterbenden Schwan mimte, hätte übrigens bei konsequenter Regelauslegung nicht mehr auf dem Platz stehen dürfen. Der bereits verwarnte Bremer hatte kurz zuvor den Ball ins Seitenaus gekickt und das ahnden die deutschen Schiedsrichter eigentlich stets mit einer Gelben Karte. Ohne Note. 

Florian Neuhaus (87. Minute für Koné): Bei vier Ballkontakten in den sechs Minuten machte Neuhaus nichts falsch, aber konnte auch nichts bewegen. Ohne Note. 

Grant-Leon Ranos (87. Minute für Honorat): Spielte bei seinem einzigen Ballkontakt einen gefährlichen Crossball in die Füße der Bremer und hatte Glück, dass der daraus resultierende Angriff abgefangen werden konnte. Ohne Note. 

Yvandro Borges Sanches (90. Minute für Plea): Durfte nach langer (Leidens-)Zeit mal wieder Bundesligaluft schnuppern. Ohne Note. 

von Redaktion TORfabrik.de – Foto: Norbert Jansen – Fohlenfoto