29. März 2024

Vorne wie hinten fehlte die letzte Entschlossenheit

Die Gladbacher Borussen hielten bei Union Berlin kämpferisch dagegen und verzeichneten deutlich mehr Ballbesitz. Doch weil daraus nur die altbekannte Scheinüberlegenheit resultierte und individuelle Fehler dazukamen, war die Niederlage unter dem Strich verdient. Die Einzelkritik:

Yann Sommer: Hatte kaum Gelegenheit, sich für seinen schwachen Auftritt vor einer Woche in Leverkusen zu rehabilitieren. Nur einmal wurde der Schweizer geprüft, als er gegen Awoniyi gut reagierte. Ansonsten musste er zweimal den Ball aus dem Netz holen. Beim ersten Treffer war er gegen den platzierten Kopfball ins lange Eck machtlos, beim zweiten Tor der Berliner hätte er sich möglicherweise einen Tick schneller entscheiden können, herauszulaufen. Note 3,0.

Joe Scally: Spielte erstmals von Beginn an auf ‚seiner‘ Rechtsverteidigerposition. Scally machte es weitestgehend ordentlich und ließ sich auch von der körperbetonten Herangehensweise der Berliner nicht irritieren. Bei einigen Aktionen auf dem Weg nach vorne verlor der 18-Jährige etwas den Überblick. Beim 0:1 musste er aufgrund der Positionierung der Kollegen einrücken, so dass Gießelmann in seinem Rücken frei zum Kopfball kam. Das 0:2 muss er sich mit ankreiden lassen – da war er zu zögerlich gegen Awoniyi und ließ ihn dann entwischen. Stark sein langer Pass zur Hofmann-Chance vor der Pause. Bei seinen eigenen Versuchen schoss er einmal deutlich drüber, danach zielte Scally aus aussichtsreicher Position erneut über den Kasten. Note 4,0.

Jordan Beyer: Als Vertreter des coronainfizierten Ginter mit seinem Saisondebüt in der Innenverteidigung. Er kam gut in die Partie, gewann die ersten beiden Duelle und spielte sichere Pässe. Doch dann unterlief ihm im Aufbau ein ‚unforced error‘, der so auf diesem Niveau nicht passieren darf und prompt mit dem ersten Gegentor bestraft wurde. Immerhin behielt der 21-Jährige danach den Kopf oben und löste die eine oder andere enge Situation mit Ruhe. Hier und da wirkte er im Passspiel etwas träge, blieb aber ohne weitere nennenswerte Fehler. Note 4,5.

Nico Elvedi: Die Raumaufteilung mit seinem neuen Nebenmann Beyer war in Ordnung, einige Male konnte Elvedi nach ruhenden Bällen mit gutem Kopfballspiel punkten. Bei der ersten Awoniyi-Chance ließ er sich allerdings zu einfach abkochen – gegen solche Stürmertypen muss Elvedi mehr Körperlichkeit einbringen. In den reinen Laufduellen war er auf der Höhe. Im Spielaufbau beschränkte sich der 24-Jährige zumeist auf den braven Kurzpass. Nach einer Ecke kam der Schweizer zu einer Kopfballchance, konnte den Ball aber nicht platzieren. In der Schlussphase wäre Elvedi bei einer Klärungsaktion fast noch ein Eigentor unterlaufen. Note 4,0.

Ramy Bensebaini: Eine leicht chaotische Vorstellung des Linksverteidigers bei seinem ersten Startelfeinsatz in dieser Saison. Er entwickelte zwar eine gewisse Dynamik nach vorne, machte sich aber mit ungewohnt vielen Stockfehlern vieles selbst zunichte. Das Timing im Zusammenspiel mit Vordermann Wolf passte nicht, das wirkte teilweise konfus. Nach dem Seitenwechsel mit Hofmann funktionierte es besser, aber der 26-Jährige blieb in letzter Konsequenz oft zu fahrig in seinen Aktionen. Note 4,0.

Christoph Kramer: Beteiligte sich intensiv an der Ballzirkulation, mit der Borussia über einen gewissen Zeitraum die berühmt-berüchtigte Scheinüberlegenheit entwickelte. Kramer schaffte es nicht, über den seriösen Sicherheitspass hinaus etwas zu inszenieren. Seine Laufbereitschaft war wie immer top, richtige Duelle führte er dagegen nicht. Laut Statistikdienst ‚opta‘ lag die Zweikampfquote des 30-Jährigen bei 0%. Besonders schmerzlich war der nicht geführte Zweikampf gegen seinen alten Buddy Max Kruse, der ihn vor dem 0:2 wie einen Anfänger düpierte. Zur zweiten Halbzeit machte Kramer Platz für Zakaria. Note 4,0.

Florian Neuhaus: War der Spieler im Mittelfeld, der für die eine oder andere überraschende Aktion zuständig war. Schade, dass die Kollegen offensichtlich wenig Gespür für diese Situationen hatten, so dass Neuhaus mehrfach mangels Optionen abbrechen musste. Gleichzeitig muss man dem 24-Jährigen vorhalten, dass ihm in den entscheidenden Momenten der Punch fehlt. So beim Rebound kurz vor der Pause, als er den Ball unbedrängt fast schon kläglich am Tor vorbei setze. Note 4,0.

Jonas Hofmann: Im ersten Durchgang über die rechte Seite unterwegs. Dort trotz gewohnt hohem läuferischen Aufwand mit wenig Wirkung. Mehrfach traf er am Ball die falsche Entscheidung – seine große Stärke, die Intuition, blieb diesmal weitestgehend im Verborgenen. Kurz vor der Pause ging Hofmann auf die linke Seite, wo er nach der Einwechslung von Herrmann zur zweiten Halbzeit auch blieb. Dort etwas stabiler, auch wenn er seine besten Szenen hatte, wenn er aus der Achterposition etwas mittiger kam. In der ersten Halbzeit hatte er eine gute Schussmöglichkeit, die Luthe parierte – in der Nachspielzeit verwertete Hofmann den Rebound zum (zu späten) Anschlusstreffer. Note 4,0.

Lars Stindl: Wurde von den Berlinern als das Herzstück der Borussia ausgemacht und entsprechend intensiv bearbeitet. Stindl versuchte sich zu befreien, indem er viel rochierte, was aber letztlich dazu führte, dass er sich kaum in den gefährlichen Räumen bewegte. So blieb der Kapitän drei Tage nach seinem 33. Geburtstag über weite Strecken ohne seine gewohnte Wirkung. Ärgerlich, dass er mit seinem Fehlpass den Konter der Unioner zum 0:2 einleitete. Nach der Pause mühte sich Stindl weiter, wurde aber unermüdlich bearbeitet. Selbst in der Nachspielzeit musste er sich noch drei Gegenspielern erwehren – dennoch gelang ihm das Zuspiel auf Bénes vor dem 1:2. Note 4,0.

Hannes Wolf: Entwickelt sich immer mehr zur tragischen Figur bei Borussia. Sein Enthusiasmus ist wirklich lobenswert, die Bissigkeit beim Anlaufen der Gegner ist klasse – auch wenn man ihm dringend beibringen muss, nicht zu naiv draufzugehen, weil sich der Gegner mit einer einfachen Körperdrehung freimachen kann. Aber Wolf lässt sich wirklich nicht hängen und versucht es tapfer, selbst wenn die Gegenspieler ihm körperlich überlegen sind. Im Verlauf der ersten Halbzeit häuften sich die Flüchtigkeitsfehler beim Österreicher, zudem stimmte die Abstimmung mit Bensebaini mehrfach nicht. Beim vorentscheidenden 0:2 trug Wolf eine Mitschuld, weil er Awoniyi zunächst gemeinsam mit Scally nicht stellte und ihn dann, obwohl er die Situation im Blick hatte, ziehen ließ. Auf der anderen Seite hatte Wolf eine sehr gute Torchance, als er sich sehenswert mit einer doppelten Drehung in Position brachte und abzog – Luthe reagierte prächtig. Zur Pause blieb er draußen – Herrmann übernahm. Note 4,0.

Alassane Plea: Nominell als Mittelstürmer aufgeboten, ließ sich der Franzose immer wieder zurückfallen, um am Kombinationsspiel teilzunehmen. Das war einerseits lobenswert, führte andererseits aber dazu, dass die Strafraumbesetzung der Borussia bei nahezu jedem Angriff ungenügend war. Erschwerend kam hinzu, dass dem 28-Jährigen einige Fehlpässe zu viel unterliefen. Plea hatte zwar zum Teil richtig gute Ideen, bei der Umsetzung fehlte es jedoch an Präzision. Nach der Pause wollte er es erzwingen, doch seine beiden Distanzschüsse waren ungefährlich. Nach 72 Minuten räumte er das Feld für Bennetts. Note 4,0.

Denis Zakaria (46. Minute für Kramer): Saisondebüt für den Schweizer, der Borussia vermutlich erhalten bleibt. Als defensiver Sechser machte es ‚Zak‘ recht ordentlich – er brachte Dynamik und im Anschub nach vorne deutlich mehr Zielstrebigkeit mit. Ein paar Aktionen waren gut gemeint, die Ausführung dann jedoch unglücklich. Aber Zakaria konnte das träge Spiel sichtlich beleben. Pech hatte der 24-Jährige mit einem guten Distanzschuss, der die Oberkante der Latte streifte. Note 3,5.

Patrick Herrmann (46. Minute für Wolf): Rückte auf die rechte Seite, während Hofmann endgültig nach links wechselte. Herrmann mühte sich, rannte viel, passte gut auf Plea und bereitete die Chance für Scally vor. Aber unter dem Strich blieben seine Aktionen zu ausrechenbar. In der Nachspielzeit hätte Herrmann fast noch den Ausgleich erzielt – schoss aber unter Bedrängnis im Fallen nur ans Außennetz. Note 4,0.

Keanan Bennetts (71. Minute für Plea): Kam über die die linke Seite und zeigte mit ordentlichem Tempo ein paar Ansätze, ohne sich jedoch entscheidend durchsetzen zu können. Verbesserungsbedarf besteht definitiv beim ersten Ballkontakt – gleich zweimal sprang ihm das Leder zu weit vom Fuß. Ohne Note.

László Bénes (84. Minute für Neuhaus): Hatte eine gute Chance nach Zuspiel von Stindl, Luthe parierte – aber Hofmann nutzte den Rebound zum Anschlusstor. Ohne Note.

von Redaktion TORfabrik.de