25. April 2024

Einzelkritik: Ein ordentlicher Start mit viel Leidenschaft

Borussia Mönchengladbach kann das 1:1 gegen den FC Bayern – den beiden nicht gegebenen Elfmetern zum Trotz – als Erfolg verbuchen. Der Start unter schwierigen Bedingungen ist mit viel Leidenschaft gelungen. Die Einzelkritik:

Yann Sommer: Lieferte eine überragende Leistung ab und hielt seine Mannschaft mit teilweise sensationellen Reflexen (Lewandowski 14., 25., 60; Stanisic 37. und Davies 58.) im Spiel. Das Attribut ‚Weltklasse‘ hat sich der Schweizer an diesem Abend ohne Zweifel verdient. Beim Gegentor aus kurzer Distanz konnte selbst er nicht mehr reagieren. Ansonsten war der 32-Jährige aufmerksam, wenn auch in der Spieleröffnung nicht ganz fehlerlos. Dennoch ganz klar die Note 1,0.

Stefan Lainer: Verlebte einen komplizierten Abend, was nicht wirklich überraschend ist, wenn das Duo Gnabry & Davies auf einen zu läuft. Lainer hielt insgesamt gut dagegen, auch wenn er im Positionsspiel hier und da Schwierigkeiten hatte. Mit einem schlimmen Fehlpass auf Lewandowski ermöglichte Lainer den Bayern in der Anfangsphase den ersten Gegenangriff. Vor dem 1:0 war der 28-Jährige bei der gemeinsamen Balleroberung und mit dem Pass auf Herrmann involviert. Nach der Pause hatte der Österreicher vorne nach einer Freistoßflanke von Herrmann eine Kopfballgelegenheit und hinten gegen den aufdrehenden Davies erhebliche Probleme. Vor der dritten Lewandowski-Großchance wurde er von Davies förmlich überrannt. Aber Lainer blieb bissig und tauchte in den letzten zwanzig Minuten auch wieder verstärkt vorne auf. Seine Vorlage auf Thuram zu dessen Megachance war eigentlich perfekt. Note 3,0.

Matthias Ginter: Konnte in seinem Kerngeschäft als Abwehrchef überzeugen. Mit seiner Körpersprache war er deutlich präsenter als gewohnt – er pushte die Mitspieler und dirigierte sie. In den Zweikämpfen ging Ginter schnörkellos zur Sache – so wie gegen Gnabry am Fünfer zu Beginn oder später in zwei, drei anderen Situationen. Der 27-Jährige stand gut im Raum und auch in den Luftduellen war er stabil. Als die Bayern hier und da mit extremem Tempo anliefen, konnte auch Ginter nichts mehr ausrichten. So wie vor der letzten Lewandowski-Chance, als er von Davies getunnelt wurde. In der Spieleröffnung vermochte er nur wenig beizutragen. Ein Crossball gelang, sechs lange Bälle fanden keinen Abnehmer. Note 2,5.

Nico Elvedi: Wie schon in Kaiserslautern zu beobachten, ist Elvedi noch nicht vollständig im Wettkampfmodus. Er wirkte in einigen Situationen einen Tick zu träge und hatte zunächst Glück, dass Sommer retten konnte. Das Gegentor ging klar auf die Kappe des Schweizers, der erst falsch zu Lewandowski stand und ihn dann einfach ziehen ließ. Das darf auf diesem Niveau nicht passieren. Im weiteren Verlauf gewann Elvedi zwei, drei wichtige Zweikämpfe, auch in der Luft machte er es ordentlich. Vorne hatte der 24-Jährige im Anschluss an einen Standard eine Schussgelegenheit, traf aber aus der Drehung den Ball nicht richtig. Im Aufbauspiel war Elvedi unauffällig. In der Nachspielzeit erhielt er Szenenapplaus für ein blitzsauberes Tackling gegen Coman. Note 4,0.

Joe Scally: Feierte ein gelungenes Bundesligadebüt auf der linken Abwehrseite. Der US-Boy agierte unerschrocken gegen die ‚großen Namen‘ auf Seiten der Bayern. Leroy Sané weiß seit diesem Abend jedenfalls mit dem Namen Joe Scally etwas anzufangen. Es war schon erstaunlich, wie forsch der 18-Jährige gegen Sané und Upamecano ins Dribbling ging und sich auch vom Tempo her durchsetzte. Von der Statur und der Spielweise her wirkt Scally, als ob er mindestens fünf Jahre älter – und erfahrener – wäre. Er verfügt über eine erstaunliche Dynamik, ein gutes Stellungs- und Kopfballspiel und gleichzeitig über eine gehörige Portion ‚Verrücktheit‘, die mit der von Bensebaini zu vergleichen ist. Das führte auch gegen Bayern zu zwei Harakiri-Aktionen, war aber gleichzeitig erfrischend belebend. Aus einer kniffligen Phase nach der Pause befreite er sich und agierte insgesamt besonnener, aber immer noch mit genügend Mut. Note 2,5.

Christoph Kramer: Es war ein Spiel, in dem die ‚Arbeitsbiene‘ Christoph Kramer so richtig aufgehen konnte. Er lief unermüdlich im Mittelfeld die Gegner an, stocherte herum, sicherte Bälle und verteilte sie. So war Kramer auch bei der Balleroberung zur Entstehung des Angriffs zum Führungstreffer beteiligt. Zwar waren die Spielfortsetzungen des 30-Jährigen hier und da etwas unsauber, aber er ackerte unverzagt weiter. Auch nachdem er unglücklich weggerutscht war und am Sprunggelenk behandelt werden musste, grätschte er nur wenige Momente später einen Gegenspieler ab. Am Ende hatte Kramer 12,66 Kilometer auf dem Tacho und er lief auf Reserve. Das hätte sich fast noch gerächt, weil er bei der letzten Aktion nicht mehr rechtzeitig schaltete, um Kimmich am Abschluss zu hindern. Note 3,0.

Florian Neuhaus: Sein Bewegungsablauf inklusive des wunderbaren Passes auf Herrmann in der 6. Minute war zum Zungenschnalzen und alleine schon das Eintrittsgeld wert. Der 24-Jährige hatte noch zwei, drei weitere tolle Aktionen auf dem Weg nach vorne. Den Großteil des Abends verbrachte er jedoch mit Fleißarbeit. Viele Ballgewinne und -behauptungen gingen auf sein Konto. Neuhaus hatte zwar nicht die spektakulären Szenen, verrichtete aber ungemein intelligente Arbeit. Vorne hatte er eine Schussgelegenheit, als er Neuer – erfolglos – am ersten Pfosten überwinden wollte. Nach knapp 80 Minuten lag Neuhaus mit einem Krampf auf dem Platz, hielt aber noch bis zur 90. Minute durch. Für ein ‚Muss-Foul‘ gegen Musiala im Mittelfeld sah er Gelb und wurde dann von Bénes abgelöst. Note 3,0.

Patrick Herrmann: Stand in seinem 300. Bundesligaspiel in der Startelf und war in der Anfangsphase einer der auffälligsten Akteure auf dem Platz. Zunächst war er im Duell mit Süle unterlegen, kurz darauf hatte er nach Plea-Vorarbeit eine Großchance von der Strafraumgrenze, als er knapp am Tor vorbei zielte. Wenige Momente später war Herrmann nach dem wunderbaren Pass von Neuhaus frei durch, doch offenbar verließ ihn aufgrund der zuvor vergebenen Chance der Mut und anstatt durchzuziehen und abzuschließen, versuchte er es mit einem Abspiel auf Stindl, der nicht zum kontrollierten Abschluss kam. Dafür war der 30-Jährige am Führungstreffer mit dem gemeinsamen Ballgewinn und dem folgenden mustergültigen Zuspiel auf Stindl maßgeblich beteiligt. Mit zunehmender Spielkontrolle der Bayern wurde Herrmann unauffälliger – nach einer halben Stunde leitete er mit einem ärgerlichen Fehlpass einen gefährlichen Münchener Konter ein. Lobenswert war Herrmanns Defensivarbeit – er unterstützte Lainer mit hohem läuferischen Aufwand. Seine Freistoßflanke für Lainer nach der Pause war gut getimt, auch die beiden Ecken waren okay. Nach 64 Minuten machte er Platz für Hofmann. Note 3,0.

Lars Stindl: In zentraler Rolle wie gewohnt sehr flexibel und mit immensem Aktionsradius. Nach dem schlechten Querpass von Herrmann kam er nicht richtig zum Abschluss, kurz darauf leitete er das schöne Herrmann-Zuspiel im Fallen perfekt weiter auf den Torschützen Plea. Stindl lief extrem viel und eroberte mehrfach den Ball. Nach einer halben Stunde klaute er Goretzka die Kugel, verpasste dann aber die Gelegenheit zum Abspiel. Zwanzig Minuten vor Schluss hätte sein präziser Innenrist-Schuss fast das 2:1 bedeutet, wenn Neuer den Ball nicht um den Pfosten gelenkt hätte. Vor der ersten Elfmetersituation verpasste der 32-Jährige die Hereingabe von Hofmann knapp. Mit enormen 12,62 Kilometern lief Stindl nur unwesentlich weniger als Dauerläufer Kramer. Note 2,5.

Hannes Wolf: War auf der linken Seite sehr fleißig und viel unterwegs. Der 22-Jährige arbeitete aufmerksam mit nach hinten, um Scally zu entlasten. Wolf war ständig auf Balleroberungen aus und tackelte unermüdlich mit großem Erfolg. Ärgerlich jedoch, dass die Folgeaktionen zumeist – hier und da sehr unglücklich – im Sande verliefen. Wolf hätte sich für den großen Aufwand definitiv mehr belohnen müssen. Er wehrte sich in den Zweikämpfen und wirkte auch etwas standfester als noch im letzten Jahr, war aber manchmal weiter zu einfach ‚abzukochen‘. Überragend dagegen seine Balleroberung vor der Stindl-Chance zwanzig Minuten vor Schluss. Kurz darauf schloss Wolf selbst ab, bekam aber nicht genügend Druck hinter den Ball. In der 72. Minute wurde er von Bennetts abgelöst. Note 3,0.

Alassane Plea: Als zentrale Spitze aufgeboten hatte der Franzose gegen seinen Landsmann Upamecano einen erwartet schweren Stand. Aber Plea machte es clever, ließ sich auf keine ungleichen Duelle ein, sondern sicherte die Bälle meist mit dem Rücken zum Gegner und spielte schnell weiter. So wie vor der ersten Chance, als er – obwohl gefoult – noch im Fallen auf Herrmann passen konnte. Kurz darauf beim Führungstor war Plea gut durchgelaufen und blieb vor Neuer eiskalt. Auch wenn der 28-Jährige keinen weiteren Torschuss abgab, blieb er mit seinen guten Annahmen und intelligenten Weiterleitungen ein wichtiger Faktor. In der 64. Minute räumte er das Feld für Thuram. Note 3,0.

Marcus Thuram (64. Minute für Plea): Brachte eine neue Körperlichkeit ins Spiel, weil er im Gegensatz zu Plea mit offenem Visier in die Duelle mit Upamecano ging. Thuram konnte in dieser Gewichtsklasse mithalten und forderte seinen Landsmann richtig. Thuram bereitete zunächst die Stindl-Chance vor, bekam dann einen schönen langen Pass von Scally nicht unter Kontrolle und hätte kurz darauf zwingend das 2:1 machen müssen. Warum er die Hereingabe von Lainer nicht verwerten konnte, bleibt rätselhaft. Etwas später wurde ihm von Upamecano auf dem Weg zum Tor klar in die Hacken getreten. Doch ein Strafstoß blieb Thuram genauso verwehrt wie wenige Momente später, nachdem er stark den Ball eroberte und dann im Strafraum von Upamecano in einer ‚Dreifach-Kombination‘ gelegt wurde. Beide Male wäre ein Elfmeter – soweit die einhellige Meinung aller Experten – fällig gewesen. Ohne Note.

Jonas Hofmann (64. Minute für Herrmann): Brillierte zunächst mit zwei herausragenden Defensivaktionen und ging mit viel Engagement zu Werke. Dabei setzte er bei einer Balleroberung am eigenen Strafraum klasse den Körper ein. Auf dem Weg über die rechte Seite nach vorne wurde einmal mehr die Spielintelligenz des 29-Jährigen deutlich. Die Mega-Chance von Thuram leitete Hofmann mit einem feinen Steckpass auf Lainer ein. Auch bei der ersten Elfmetersituation mischte Hofmann mit – seine Hereingabe nach dem Foul an Thuram verpasste Stindl knapp. Ohne Note.

Keanan Bennetts (72. Minute für Wolf): Sorgte auf links für Betrieb, war mutig und wirkte auf den ersten Metern sehr explosiv. Der 22-jährige Engländer traute sich was zu und auch wenn nicht alles gelang (zwei Flanken gerieten etwas weit und nach einem Übersteigerdribbling blieb er hängen), hinterließ Bennetts einen vielversprechenden Eindruck. Ohne Note.

László Bénes (90. Minute für Neuhaus): Übernahm die Position des ausgelaugten Neuhaus in der Nachspielzeit – einen Ballkontakt hatte er nicht mehr. Ohne Note.

von Redaktion TORfabrik.de