20. April 2024

Das ‚Projekt Rose‘ in Gladbach bleibt ein Fragment

Die Hoffnungen, die man bei Borussia Mönchengladbach mit der Verpflichtung von Marco Rose verbunden hat, wurden nicht erfüllt. Letztlich ist das Projekt auch an einer Herausforderung gescheitert, die schon andere Borussen-Trainer nicht bewältigen konnten.

Noch drei Bundesligaspiele wird Marco Rose als Trainer von Borussia Mönchengladbach an der Seitenlinie stehen. Dann endet das ambitionierte ‚Projekt Rose‘, das zwar nicht gescheitert ist, aber letztlich doch sehr desillusionierend war. Trotz der letztjährigen Qualifikation für die Champions League und den Achtungserfolgen in der Königsklasse in dieser Saison. Eigentlich sollte Rose ja etwas aus- und aufbauen. Doch das Vorhaben, bei Borussia einen neuen Fußball-Stil zu etablieren, ist nicht wirklich aufgegangen.

In der ersten Saison versuchte Rose einiges und zeitweise sah es tatsächlich so aus, als ob er die von ihm bevorzugte Art des sprintintensiven Pressings auch in Mönchengladbach erfolgreich vermitteln könnte. Es gelang, auch dank der Neuzugänge Lainer, Bensebaini, Embolo und Thuram, Schwung in den leicht angestaubten Gladbacher Fußball zu bringen.

Keine neuen Schlüsselspieler für den Pressing-Stil

Einige der ‚alten‘ Spieler adaptierten den veränderten Stil und entwickelten sich weiter. Zakaria kam groß raus, bis ihn seine Verletzung ausbremste, Neuhaus wurde erwachsen und Hofmann legte endlich die Fähigkeiten offen, die er so lange versteckt gehalten hatte. So gelang der vorsichtige Umbruch in der ersten Saison unter Rose – auch weil der Trainer sehr zeitig Abstand von einem ausufernden Pressing-Stil genommen hatte. Für mehr fehlte das geeignete Personal und da sich dennoch Erfolg einstellte, reichte fürs Erste auch ‚Rose-Fußball-Light‘.

Der nächste Schritt sollte dann zur zweiten Saison folgen. Planmäßig wären in der Sommertransferperiode auf zwei oder drei Schlüsselpositionen Spieler dazu geholt worden, mit denen die Mannschaft den Gegner noch intensiver anlaufen und unter Druck hätte setzen können. Doch Corona brachte die Konzeption ziemlich durcheinander. Der vor der Pandemie überhitzte Transfermarkt war plötzlich eingefroren. Man konnte weder teuer verkaufen, noch gezielt einkaufen. Am Ende kamen zwei Leihspieler und in der offiziellen Sprechweise feierte man sich dafür, den Kader beisammen gehalten und keinen Leistungsträger abgegeben zu haben.

Eine weitere Stilveränderung wurde storniert

Für Marco Rose und seine Bestrebungen war das ein Dämpfer, den er aber mittragen musste – es gab keine Alternative. In der Folge wurden die Pläne für eine weitere Stilveränderung in Richtung Intensiv-Pressing storniert und stattdessen mit ‚Rose-Fußball-Light‘ weitergemacht. Mit der großen Herausforderung vor der Nase, dass diese Mannschaft in allen drei Wettbewerben liefern musste. Über eine derartige Hürde sind in Gladbach in der jüngeren Vergangenheit bereits andere Trainer mehr oder weniger gestolpert und Marco Rose, so viel steht fest, erging es nicht anders.

Lucien Favre flüchtete zu Saisonbeginn 2015 vor der Herausforderung, die erstmalige Teilnahme an der Champions League erfolgreich zu gestalten und gleichzeitig in der Liga oben mitzumischen. Sein Nachfolger André Schubert rockte danach zwar die Liga und schlug sich auch in der Königsklasse achtbar, doch im zweiten Jahr bekam er die Balance zwischen Weiterentwicklung, Champions League und Bundesliga nicht hin und musste im Winter gehen. ‚Stabilisator‘ Dieter Hecking übernahm.

In den anstrengenden Wochen blieb vieles auf der Strecke

Der Knackpunkt bei Schubert war, dass die Champions League letztlich zu viele Körner gekostet hatte, die in der Liga fehlten. Und Marco Rose ist es ähnlich ergangen. Rose hat fraglos einen breiteren und qualitativ hochwertigeren Kader als Schubert zur Verfügung, doch um ernsthaft in allen Wettbewerben im Drei-Tage-Rhythmus mit 100 Prozent Powerfußball zu performen, ist dieser auch nicht ausreichend. Das schaffen eben nur die ‚Big-Player‘. Doch Rose wollte auf der großen Bühne Königsklasse glänzen und setzte darauf, dass die Qualität in der Liga mit etwas Rotation und ökonomisch angelegtem Fußball zumindest zu glanzlosen Arbeitssiegen reichen würde.

Glanzlos waren dann auch die meisten Spiele in der Hinrunde, bei denen man immer wieder nach hinten heraus unnötig Punkte verschenkte. Wenigstens gelang es trotz eines wirklich extrem engen Terminkalenders, den Kontakt auf Platz 4 nicht vollends abreißen zu lassen. Doch in diesen anstrengenden Wochen blieb einiges auf der Strecke. Training gab es nur zur Regeneration, Gegnervorbereitungen mussten im Schnelldurchlauf stattfinden und natürlich modifizierte Marco Rose auch seine Ansprache gegenüber der Mannschaft.

Verwaltungsfußball statt Power und Pressing

Im neuen Jahr mit dem deutlich entzerrten Programm, sollte in der Liga die Aufholjagd gestartet und gleichzeitig die eingeschlafene Weiterentwicklung wieder aufgenommen werden. Punktemäßig verlief der Januar äußerst erfolgreich und man war tatsächlich wieder mittendrin im Rennen um die Champions League. Aber es wurde auch deutlich, dass das ganze Gebilde auf wackeligen Beinen stand. Denn Gladbach spielte auch im Januar fast nur Verwaltungsfußball, was durch die zwei ‚Kraftakt-Siege‘ gegen Bayern und Dortmund übertüncht wurde.

Eigentlich war der Gladbacher Fußball meilenweit von dem frischen Style entfernt, den man ursprünglich mit Marco Rose assoziiert hatte. Nicht nur in den gern zitierten Sprintstatistiken oder bei den intensiven Läufen bauten die Borussen kontinuierlich ab. Als der Februar kam, stürzte das Kartenhaus in sich zusammen. Borussia spielte in der Liga im gleichen Stil wie im Januar, nur verlor man ab jetzt fast alles mit einem Tor Unterschied.

Borussia ist weiterhin auf der Suche nach einer fußballerischen Identität

Das verzockte Derby war der Startschuss und als Rose alle Gladbacher mit seiner Entscheidung pro Dortmund so richtig vergrätzte, wurde die Situation brandgefährlich. Die Ergebnisse, mit denen man die Lage hätte beruhigen können, stellten sich nicht ein. Man schied in den Pokalwettbewerben aus und geriet in einen Negativstrudel, der fast zu einer historischen Niederlagenserie geführt hätte. Dieser Sturzflug ist sicherlich nicht allein mit dem bevorstehenden Abschied von Rose zu erklären, aber ganz gewiss war es ein Knackpunkt, der die negative Entwicklung forciert hat.

Der völlige Absturz wurde mit dem Dreier auf Schalke abgebremst und seitdem ist die Performance ergebnistechnisch und teilweise auch fußballerisch wieder in Ordnung. Ob die Saison noch mit einer Qualifikation für die dritte oder zweite europäische Liga abgeschlossen werden kann, ist letztlich nicht groß von Belang. Das ‚Projekt Rose‘ bleibt ein Fragment und endet ernüchternd. Marco Rose übernahm vor zwei Jahren eine Mannschaft, die frische Impulse nötig hatte und er wird seinem Nachfolger Adi Hütter eine übergeben, die zwar einen Schritt gemacht hat, aber weiterhin auf der Suche nach einer fußballerischen Identität ist.

von Marc Basten – TORfabrik.de