29. März 2024

Einzelkritik: Borussia hätte viel deutlicher gewinnen müssen

Am Ende brachte Borussia Mönchengladbach den hochverdienten Auswärtssieg in Bielefeld mit zitternden Knien über die Zeit. Dabei hätten die Borussen angesichts der Kräfteverhältnisse völlig stressfrei viel höher gewinnen müssen. Die Einzelkritik:

Yann Sommer: Behielt zum zweiten Mal in dieser Saison die weiße Weste. Dazu musste er lange Zeit nicht viel beitragen, weil Bielefeld zunächst offensiv vollkommen harmlos war. Den Cordova-Schuss in der Nachspielzeit des ersten Durchgangs guckte Sommer neben das Tor. Einen weiteren Schuss von Cordova – aus Abseitsposition – parierte Sommer mit den Knien. In der Schlussphase, als die Arminia etwas drängte, war der Schweizer bei zwei, drei Pflichtaufgaben gefordert, die er problemlos löste. Wichtig war eine gelungene Faustabwehr des 32-Jährigen kurz vor dem Ende. Note 3,0.

Stefan Lainer: Hatte in der ersten Halbzeit viel Zeit und Gelegenheit, sich im Kombinationsspiel nach vorne einzuschalten. Seine Pässe und Hereingaben waren dabei von unterschiedlicher Qualität und insgesamt zu wenig zielgerichtet. Nach einer Freistoßflanke von Hofmann setzte der Österreicher einen ›Streifkopfball‹ am Tor vorbei. Nach der Pause hielt sich der 28-Jährige in der Offensive zurück und beschränkte sich weitestgehend auf das saubere Verteidigen. In der Nachspielzeit gewann er ein eminent wichtiges Kopfballduell mit einem freien Gegner im Rücken. Note 3,0.

Matthias Ginter: In der Defensive zunächst überhaupt nicht gefordert, entwickelte Ginter schnell einen gewissen Vorwärtsdrang. Man merkte ihm regelrecht an, dass er die Sache da vorne in die Hand nehmen wollte, nachdem die Kollegen die ersten Chancen liegen ließen. In mehreren Situationen rückte der 26-Jährige im laufenden Spiel in den gegnerischen Sechzehner und sorgte dafür, dass die teilweise lausige Strafraumbesetzung etwas erträglicher wurde. Zum Abschluss kam Ginter allerdings auch nicht – nur nach einer Ecke köpfte er über den Kasten. Im zweiten Durchgang bekam er hinten mehr zu tun, was er routiniert regelte. In der Schlussphase verhinderte Ginter den Ausgleich, als er den Kopf bei der ›Rakete‹ von Yabo nicht einzog. Note 2,5.

Nico Elvedi: Aufgrund des nicht existierenden Bielefelder Angriffsspiels mit einem ruhigen Arbeitstag. Elvedi sicherte Ginter ab, wenn dieser nach vorne marschierte. Bei mehreren zaghaften Offensivaktionen der Gastgeber kam der Schweizer aufmerksam vor den Gegenspieler und erstickte jegliche Gefahr im Keim. Bei der ersten halbwegs gefährlichen Situation im eigenen Strafraum sah er beim Kopfballspiel allerdings nicht gut aus, weil er sich wegduckte. Später ließ er den eingewechselten Kunze von sich wegdrehen. Im Passspiel agierte der 24-Jährige nahezu fehlerlos. Note 3,0.

Oscar Wendt: Auf dem Weg nach vorne war der Schwede einige Male dabei, ohne jedoch wirklich für Gefahr sorgen zu können. Eine flache Hereingabe sorgte zwar für Panik bei den Bielefeldern, fand aber wegen der schlechten Strafraumbesetzung keinen Gladbacher Abnehmer. Bei einem Volleyversuch schlug Wendt ein klassisches Luftloch. Ein Freistoß des 35-Jährigen war aufgrund des kurzen Anlaufs zum Scheitern verurteilt. Defensiv hatte der Routinier die Sache weitestgehend im Griff, auch wenn er sich und hier und da nur mit Fouls helfen konnte. Bei einer etwas wilden Aktion hatte er Glück, dass der Schiedsrichter die Karte stecken ließ. In einer anderen Situation war Wendts Timing bei einem defensiven Sprint nicht gut, aber da zwei Arminen sich gegenseitig über den Haufen liefen, entstand keine Bedrohung. In der 85. Minute machte Wendt Platz für Bensebaini. Note 3,5.

Christoph Kramer: Hatte die meisten Ballkontakte und fühlte sich vor allem im ersten Durchgang ob der unerwarteten Freiheiten, die von Bielefeld gewährt wurden, pudelwohl in seiner Rolle. Kramer überzeugte mit klugen und kontrolliertem Aktionen und einigen richtig filigranen Pässen. Nach der Pause wurde es auch für den 29-Jährigen etwas mühseliger und ganz am Ende musste er auf die Zähne beißen. Doch insgesamt war es eine sehr fleißige und hochseriöse Vorstellung. Note 2,5.

Florian Neuhaus: Stand zunächst in Sachen Spielgestaltung etwas im Schatten von Kramer und fiel nur mit kleineren ›Schmankerln‹ auf. Auch der 23-Jährige hatte ungewohnt viel Raum und konnte weitestgehend ungestört agieren. Vorne mit einem harmlosen Distanzschuss, hinten sah er Gelb für eine Grätsche gegen Cordova, den er gar nicht traf. Nach der Pause wurde Neuhaus dominanter, machte Bälle durch starke Körperbewegungen frei und spielte einige ganz feine Pässe. Überragend war das Anspiel auf Herrmann zu dessen Großchance. Nach 77 Minuten wurde Neuhaus von Zakaria abgelöst. Note 3,0.

Patrick Herrmann: War eigentlich nicht für die Startelf vorgesehen, doch weil sich Valentino Lazaro beim Aufwärmen eine Zerrung zugezogen hatte, begann Herrmann und kam so zu seinem 349. Pflichtspiel für die Borussia – und schloss damit in der Rangliste zu Günter Netzer auf. Im Kurzarmtrikot mit Handschuhen war Herrmann zunächst vornehmlich auf links unterwegs. In einer Situation ließ er sich in aussichtsreicher Position vom Keeper den Ball vom Fuß fischen, darüber hinaus war er zwar eifrig, aber in letzter Instanz ungefährlich. In der zweiten Halbzeit kam der 29-Jährige vermehrt über die rechte Seite. Eine Flanke mit links auf Embolo war gut, ein Lupfer kurz nach dem Führungstor missglückte. Nach Traumpass von Neuhaus hatte Herrmann eine Großchance, als die erste Annahme gut war, er sich dann aber den Ball mit dem Schienbein so weit vorlegte, dass ein kontrollierter Abschluss nicht mehr möglich war. In der 85. Minute wurde er durch Wolf ersetzt. Note 3,5.

Lars Stindl: Der Kapitän war in zentraler Rolle sehr aktiv und belebte das Kombinationsspiel über die gesamte Dauer der Partie mit guten Direktpässen. Stindl war bissig und zweikampfstark und wirkte spritzig. Mehrere gute vertikale Anspiele, u.a. auf Embolo, leiteten Torchancen ein. Selbst kam der 32-Jährige zu drei Torabschlüssen, die jedoch nicht wirklich bedrohlich waren. Ungemein wertvoll sind Aktionen, wie das überlegte und beherrschte Zuspiel von Stindl auf Hofmann vor dem 1:0. Damit wurden der Angriff und das Tor des Tages erst möglich. Note 2,5.

Jonas Hofmann: Comeback in der Bundesliga für Hofmann nach seiner Muskelverletzung aus dem Länderspiel in Köln Anfang November. Er war direkt auf Betriebstemperatur, marschierte über die volle Distanz und war der laufstärkste Borusse. Ganz nebenbei war der 28-Jährige auch der beste Spieler auf dem Platz. Er war überall zu finden, spielte Pässe von hinten raus – u.a. toll auf Stindl – oder war mit seinen tiefen Läufen in die Spitze der Zielspieler. Klasse seine direkte Ablage vor dem Pfostenschuss von Embolo, dazu mit weiteren starken Sprints und einer eigenen Möglichkeit, als er aus spitzem Winkel aufs kurze Eck schoss. Auch als Balleinsammler und Anläufer des Bielefelder Aufbauspiels unermüdlich. Zudem betätigte sich Hofmann als unverdrossener Eckenschütze – ganze 14x schlug er den Ball in den Strafraum. Einmal war eine echte Niete dabei, ansonsten kamen die Ecken ordentlich, wurden aber nicht verwertet. Mit seinem Klasse-Pass in den Lauf von Embolo gab Hofmann den Assist zum Siegtor, später fing er einen Rückpass eines Bielefelders aufmerksam ab, sprintete in Richtung Tor und wurde im letzten Moment noch regelgerecht vom Ball getrennt. Note 2,0.

Breel Embolo: War von Beginn an sehr präsent und bearbeitete die Räume, die ihm die schlecht organisierten Bielefelder boten. Embolo sorgte für Betrieb, holte die ersten Ecken raus und schoss nach Hofmann-Zuspiel an den Innenpfosten. Da konnte man ihm keinen Vorwurf machen, wohl aber beim unkoordiniert verstolperten Rebound. Mit einem ›Störsprint‹ erzwang der Schweizer eine weitere Chance, zudem schirmte er oft den Ball gut ab. Obwohl dem 23-Jährigen weiter die Killermentalität abging, blieb Embolo dran und versuchte es. Zwei Kopfbälle waren nicht präzise und druckvoll genug, ein Schuss mit links flog über den Kasten. Beim Tor des Tages blieb er auf dem Weg zum Tor standhaft und bis zum Abschluss fokussiert. Dass dieser Treffer einer Erlösung gleichkam, zeigte der anschließende Jubel. Kurz darauf überließ er Plea das Feld. Note 3,0.

Alassane Plea (64. Minute für Embolo): Rückte in die Zentrale und hatte gleich zu Beginn eine auffällige Szene, als er über links seinen typischen Move in die Mitte anzog, aber keine freie Schussbahn erhielt. In der Folgezeit weniger präsent als Embolo zuvor, insbesondere als Zielspieler, der Bälle sichert und abschirmt, außen vor. Winkte zweimal nach fehlgeschlagen Aktionen missmutig in Richtung der Mitspieler ab – das kommt nicht gut an. Bei einer Bielefelder Ecke klärte Plea im eigenen Strafraum, am Ende lief er zweimal ins Abseits und ermöglichte den Gastgebern in der Nachspielzeit durch ein lasches Abspiel nochmals Ballbesitz. Ohne Note.

Denis Zakaria (77. Minute für Neuhaus): Übernahm die Neuhaus-Position und mischte munter mit, ohne jedoch wirklich auffällig zu werden. Ein Schuss des Schweizers wurde zur Ecke geblockt, einmal setzte er Wolf fast in Szene. Ohne Note.

Hannes Wolf (85. Minute für Herrmann): Flipperte noch ein wenig hin und her, wobei seine Zweikampfführung in der doch engen Schlussphase zu wünschen übrig ließ. In der Nachspielzeit verursachte Wolf noch einen Freistoß. Ohne Note.

Ramy Bensebaini (85. Minute für Wendt): Erster Kurzeinsatz nach überstandener Covid-19-Infektion. Er war wach und aufmerksam und er wusste, was er am Ball machen musste. In der Endphase ging er kein Risiko ein und drosch das Leder auf die leere Tribüne. Hoffentlich ist Bensebaini alsbald körperlich wieder voll auf der Höhe – er wird dringend gebraucht. Ohne Note.