Es ist vollbracht – Borussia Mönchengladbach hat den ersten Saisonsieg eingefahren. Das 4:0 beim FC St. Pauli war in allen Belangen verdient, nach einer unerwartet souveränen und reifen Vorstellung. Wohltuend auch, dass die Protagonisten anschließend den Ball betont flach hielten.
Als Shuto Machino in der 75. Minute am Millerntor zum 3:0 für Borussia Mönchengladbach einnetzte, fielen von allen, die es mit Borussia halten, Zentnerlasten ab. Der erste Saisonsieg war praktisch sicher, denn dass der FC St. Pauli an diesem Nachmittag noch drei Tore schießen könnte, war ausgeschlossen. Und so konnte man sich dem ungewohnten Gefühl hingeben, einen Bundesligasieg feiern zu dürfen. Das klare 4:0 am Ende war eine Befreiung nach einer langen Leidenszeit.
Matchplan aufgegangen
Dass die Borussen als Tabellenletzter auf St. Pauli so souverän auftrumpfen würden, war trotz des Rückenwinds aus dem Pokalspiel unter der Woche nicht absehbar. Doch an diesem Tag ging vieles von dem auf, was man gemeinhin als »Matchplan« bezeichnet. Endlich einmal eine Führung, dann rechtzeitig nachgelegt und am Ende alles klargemacht, ohne zwischendurch die Kontrolle zu verlieren. Natürlich gehört zur Wahrheit auch, dass St. Pauli äußerst schwach war. Aber dass Borussia in den vergangenen Monaten gegen ähnlich schwache Gegner dennoch nicht gewinnen konnte, ist ebenso Fakt.
Polanskis Maßnahmen greifen
Warum also hat es am Millerntor für die Borussen funktioniert? Neben dem nahezu idealen Spielverlauf sind es auch die Maßnahmen von Eugen Polanski, die mittlerweile nachhaltig greifen. Dass er Philipp Sander in die Abwehrkette zurückgezogen hat, erweist sich als kluger Schachzug. Mit Sander, Elvedi und Diks hat Borussia in der letzten Linie Spieler, die sowohl kompromisslos verteidigen als auch über eine solide Passsicherheit verfügen.
Dazu kommt die jüngste Umstellung auf ein System mit zwei Spitzen. Dass Honorat nicht mehr nur die Außenlinie rauf- und runterlaufen muss, sondern vorne flexibel agieren kann, hat er am Samstag eindrucksvoll gezeigt. Und für Machino scheint die Position im Zweiersturm ohnehin die richtige zu sein.
Struktur und Balance gefunden
Auch die Rollenverteilung im Mittelfeld wirkt stimmiger. Reitz agiert inzwischen eher als Achter statt aus der Zentrale, was ihn ein Stück weit von der Last befreit, dass alles über ihn laufen muss. Für die Stabilität im defensiven Mittelfeld ist Engelhardt von herausragender Bedeutung. Wenn dann noch die Außenspieler Scally und Ullrich funktionieren – beide zeigten am Millerntor ihr bestes Saisonspiel –, sieht das ganze Konstrukt schon deutlich vernünftiger aus.
So ergeben sich auch Entfaltungsmöglichkeiten für Florian Neuhaus, der in einer flexiblen Rolle aus der Tiefe feine Pässe spielt, aber auch im Pressing vorne anläuft. Und Tabaković beweist, dass er keineswegs nur der Stürmer ist, dem man Flanken auf den Kopf schlagen muss. Er entfaltet auch am Boden eine Wucht, die – gepaart mit Zielstrebigkeit im Abschluss – beeindruckt.
Ein Schritt, kein Durchbruch
Das Spiel auf St. Pauli liefert eine schöne Momentaufnahme – aber eben nur das. Borussia ist noch längst nicht über den Berg. Der Sieg ist immens wichtig fürs Selbstvertrauen und auch fürs Punktekonto. Der Anschluss ist wiederhergestellt, und Borussia steht nicht mehr auf einem direkten Abstiegsplatz. Das ist ein wichtiger Schritt auf einem noch langen Weg.
»In unserer Situation ist es nicht selbstverständlich, dass wir 4:0 auswärts gewinnen – und das relativ souverän«, sagte Yannik Engelhardt. »Aber wir haben noch nichts gewonnen in der Liga, außer ein Spiel.«
Fokus aufs Derby
Ähnlich zurückhaltend äußerten sich alle Protagonisten. Froh und erleichtert über den ersten Sieg, aber auch klar genug, um sich der weiterhin angespannten Situation bewusst zu sein. Das gilt besonders mit Blick auf das Derby am kommenden Wochenende.
»Wir wollen keine großen Töne spucken, sondern auf dem Platz liefern«, sagte Eugen Polanski. »Es ist wichtig, dass wir klar bleiben und wissen, dass uns in keinem Spiel etwas geschenkt wird.« Im Derby schon gar nicht.
von Marc Basten – TORfabrik.de | Foto: Selim Sudheimer – Getty Images