19. April 2024

Defensiv zu offen und anfällig, offensiv letztlich zu harmlos

Borussia Mönchengladbach musste sich Eintracht Frankfurt verdient geschlagen geben. Weil die Frankfurter zerstörten und konterten und weil die Borussen es zuließen und ihrerseits zu harmlos blieben. Die Einzelkritik:

Tobias Sippel: Musste bei seinem Saisondebüt in der Liga vor der Pause gleich dreimal hinter sich greifen. Beim ersten Tor hatte er noch den Handschuh am Ball, konnte aber nicht verhindern, dass er über die Linie trudelte. Beim zweiten Treffer war der 34-Jährige machtlos, beim dritten Tor hätte er etwas ausrichten können. Der Schuss von Lindström war zwar scharf, flog aber zwischen den Händen von Sippel hindurch. Ansonsten hatte er kaum Gelegenheiten, sich auszuzeichnen. Einen hohen Ball faustete Sippel weg und einen Schuss von Lenz parierte er. Als mitspielender Torwart erwartungsgemäß deutlich weniger einbezogen als Sommer. Note 4,0.

Joe Scally: Wurde auf seiner Seite bei Ballbesitz permanent unter Druck gesetzt und insgesamt sechsmal gefoult. In den Zweikämpfen war der 19-Jährige stabil, mit Ball wirkte er unruhig und agierte mit wenig Übersicht. Bei mehreren Dribblings mit Kopf nach unten lief er sich fest. Vorne hatte Scally eine Aktion ohne Abschluss, als er suchte und letztlich zu lang zögerte. Ordentlich war die Flanke, die Thuram nicht ganz erreichte. Bei einem Frankfurter Konter zweifelte Scally und zog sich zurück, wodurch der Gegenzug noch gefährlicher wurde. Durch die insgesamt hohe Positionierung kam er bei einigen Frankfurter Umschaltangriffen nicht mehr rechtzeitig zurück, um noch eingreifen zu können. Note 4,5.

Marvin Friedrich: Ein undankbares Spiel für den Innenverteidiger, der fortwährend in aussichtslose Laufduelle verwickelt wurde. Dass die Außen so hoch standen vereinfachte die Sache für Friedrich nicht, zudem waren die zentralen Mittelfeldspieler oftmals auch keine Hilfe. Beim 0:1 konnte der 26-Jährige nicht mehr einschreiten, das 0:2 geht mit auf seine Kappe, weil er Ebimbe quasi unbedrängt hochsteigen ließ. Beim dritten Gegentor lief er nur noch hinterher. Im Aufbau war Friedrich aufgrund des Fehlens von Sommer mehr gefordert als sonst. Er schaffte es jedoch nur selten, das Spiel zu öffnen. Wenn er angelaufen wurde, fand er wenig Lösungen und offenbarte technische Defizite. Note 5,0.

Nico Elvedi: Bekam zunächst gegen Kolo Muani und Lindström überhaupt kein Bein an den Boden. Beim 0:1 geriet Elvedi durch eine halbe Körpertäuschung des Gegenspielers komplett aus dem Tritt und stolperte dann auch noch über Konés Bein. Vor der Ecke, die zum 0:2 führte, rückte der Schweizer weit nach vorne und wurde viel zu einfach umspielt – die Möglichkeit eines taktischen Fouls ließ er verstreichen. Der 26-Jährige wirkte behäbig und reagierte wiederholt zu spät. Im Aufbauspiel leistete er sich wenig Fehler, doch die Passqualität war sehr bieder. So ‘besorgte’ er Weigl die Gelbe Karte, als dieser nach einem halbgaren Elvedi-Pass zu einem harten Einsteigen genötigt wurde. In der zweiten Halbzeit, als Frankfurt nur noch sporadisch anlief, stabilisierte sich Elvedi und konnte sich auch mal gegen Kolo Muani behaupten. Note 5,0.

Ramy Bensebaini: Gab mit einem langen Ball den Assist zur Großchance von Thuram und grätschte einmal resolut gegen Lindström. Das waren die wenigen Highlights von Bensebaini, der ebenfalls hoch stand, seine Offensivqualitäten aber nicht wie gewünscht einbringen konnte. Das lag auch daran, dass er hart angegangen wurde (fünf Fouls gegen ihn). Die Balance zwischen Vorwärtsgang und defensiver Arbeit bekam der 27-Jährige nur selten hin. Bensebaini wirkte sichtlich frustriert, als das eine oder andere Dribbling missglückte. Nach der Auswechslung von Koné rückte er in den letzten zwanzig Minuten auf dessen Position. Diese interpretierte er sehr linkslastig. Der Algerier war zwar bemüht, nochmal mit anzuschieben, aber richtig durchsetzen konnte er sich nicht. Note 4,5.

Julian Weigl: Fing mit einer guten Balleroberung an, sah dann aber bei der Entstehung des 0:1 nicht gut aus, als er den Zweikampf gegen Kolo Muani verlor. Danach rückte er nicht mehr so forsch vor, hatte aber auch nur wenig Einfluss aufs Spiel. Weigl musste viel absichern, was nicht immer gelang. Für sein einziges Foul sah der 27-Jährige die Gelbe Karte, wobei er sich bei Elvedi bedanken konnte, der die Situation mit einem ‘Krankenhausball’ vor dem eigenen Strafraum heraufbeschworen hatte. Das 0:3 leitete Weigl mit seinem zu kurz geratenen Pass in Richtung Plea ein. In dem vergeblichen Bemühen, den Fehler direkt zu korrigieren, rückte er vor und öffnete damit in seinem Rücken den Raum für den Konter, den die überforderten Innenverteidiger nicht mehr stoppen konnten. Nach der Pause machte es Weigl, der laufstärkster Borusse war, alles in allem ordentlich. Note 4,5.

Manu Koné: Hätte beim ersten Gegentor Lindström fast mit seiner Grätsche gestört, doch der Ball sprang via Elvedi wieder in den Lauf des Frankfurters. Danach sah der Franzose für ein Foul eine vertretbare Gelbe Karte – die Fünfte in der laufenden Saison. In der Folgezeit verlor er bei mehreren Dribblings den Ball und war bei seiner Entscheidungsfindung wiederholt unglücklich. Zudem nahm es der 21-Jährige bei der Besetzung des Raumes in der Defensive recht locker und bot den Kollegen wenig Hilfestellung. In der zweiten Halbzeit ging am eigenen Strafraum eine ‘Zidane-Drehung’ gut, was dennoch sehr riskant war. Koné hatte Glück, dass er für ein weiteres Foul an Rode nicht Gelb-Rot sah. Auch wegen dieser Gefahr wurde der Franzose zwanzig Minuten vor Schluss ausgewechselt. Note 5,0.

Lars Stindl: Der Allrounder in der offensiven Reihe übernahm in seinem 200. Bundesligaspiel für die Borussia die Hofmann-Position auf der rechten Seite. Er fing giftig an, doch dann unterlief ihm der Fehlpass vor dem 0:1. Wobei es natürlich noch genug Gelegenheiten gab, diesen Gegenangriff zu unterbinden. In der 22. Minute schoss Stindl mit seiner Direktabnahme Trapp an. Stark, wie der 34-Jährige nach seiner abgefangenen Freistoßflanke und dem anschließenden Konter der Frankfurter zurückeilte und mit einer beherzten Grätsche gegen Kolo Muani rettete. Einstellung und Bereitschaft des Kapitäns waren wie immer vorbildlich. In der 71. Minute wurde er von Ngoumou abgelöst. Note 4,0.

Christoph Kramer: Stand nach überstandener Verletzung direkt wieder in der Startelf und übernahm die zentrale Position. Dort konnte er zunächst mit starkem Direktspiel gefallen, danach wurde es jedoch deutlich weniger. Bis auf das hervorragende Chip-Zuspiel auf Stindl vermochte Kramer nicht wirklich viel beizutragen. Er war zwar viel unterwegs und dirigierte seine Mitspieler, doch es fehlte ihm an Dynamik und Durchsetzungsvermögen. Der 31-Jährige verlor die meisten seiner Zweikämpfe, zudem rutschte er mehrfach aus. Ein paarmal wurde er lang geschickt, war aber in den Laufduellen chancenlos. Insgesamt agierte Kramer offensiv zu harmlos und war auf dieser zentralen Position irgendwie verschenkt. Gegen Union wird er aufgrund der Sperre von Koné wohl wieder auf seine ‘normale’ Stelle zurückkehren. Note 4,5.

Alassane Plea: War auch an diesem Abend Borussias Spielgestalter – allerdings mit einigen unglücklichen Offensiventscheidungen. Ein Steilpass-Versuch auf Thuram blieb hängen und mehrere weitere Versuche blieben unvollendet. Wobei Pleas Ideen immer klug und erkennbar sind, ohne durchsichtig zu sein. Diese fußballerische Intelligenz macht Plea zu einem Unterschiedsspieler. Er war hellwach, als Ebimbe vor der Osttribüne ausrutschte und schnappte sich den Ball zur Vorbereitung der Stindl-Chance. Das 1:3 bereitete er mit tollem Einsatz vor, zudem spielte er einen feinen Pass auf Ngoumou. Aber Plea ging auch ein paarmal dem Ball nicht entgegen und ließ die letzte Entschlossenheit vermissen. Note 4,0.

Marcus Thuram: Borussias zentraler Angreifer hatte einen schweren Stand, weil das Gladbacher Angriffsspiel meist schon unterbrochen wurde, bevor der Ball im letzten Drittel ankam. Bei seiner Großchance setzte sich Thuram stark durch und auch der Antritt war unwiderstehlich – leider scheiterte er am gut reagierenden Trapp. Im weiteren Verlauf zeigte der 25-Jährige ein paar Ansätze, ohne letztlich wirklich gefährlich zu werden. Mit seiner zweiten Chance erzielte Thuram den Anschlusstreffer – mit etwas Glück rutschte der Ball durch die Beine von Trapp. In der Schlussphase legte er den Ball nach Herrmann-Flanke per Kopf zurück, wo allerdings niemand war. Note 4,0.

Luca Netz (70. Minute für Koné): Übernahm die Position links, während Bensebaini nach innen rückte. Netz war sicher im Passspiel, hatte allerdings ein paar Orientierungsprobleme in der Rückwärtsbewegung. Ohne Note.

Nathan Ngoumou (70. Minute für Stindl): Machte auf der rechten Seite etwas Dampf, spielte ordentliche Pässe und schlug eine gute Flanke, die vor Thuram geklärt wurde. Ohne Note.

Patrick Herrmann (90.+2 für Scally): Kam zu seinem 400. Pflichtspiel für die Borussia und steuerte noch eine Flanke auf Thuram bei, mit der dieser leider nicht das Richtige anzufangen wusste. Ohne Note.

von Redaktion TORfabrik.de | Foto: Norbert Jansen – Fohlenfoto